Aufbruch
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Brücke - Krücke
Hier wird Verschiedenheit als Bereicherung erlebt und gleichberechtigte Teilhabe gelebt. Das Zusammenleben in dieser offenen Gruppe ist beispielhaft für eine inklusive Gesellschaft, in der jeder seine Einzigartigkeit leben darf und dabei die Einzigartigkeit des Anderen als selbstverständlich und bereichernd schätzt!
Brücke-Krücke
Die Gruppe Brücke-Krücke behinderter und nichtbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener ohne professionelle Betreuer besteht seit 1981 am katholischen Jugendamt in Bonn. Es gab von vorneherein und gibt bis heute keine eigentliche Mitgliederstruktur: Wer sich engagiert, gehört dazu. Dabei wurde sehr darauf geachtet, dass bei der Aufnahme von "Neuen" keine Auswahl vorgenommen wurde. Es stellte sich nämlich heraus, dass gerade Jugendliche, die von sich heraus nie auf die Idee gekommen wären, sich für Behinderte zu interessieren, die "besten" und engagiertesten Gruppenmitglieder wurden. So gab es auch bei den Behinderungen kein Auswahlkriterium. Alle Behinderungen, ob körperlich oder geistig oder auch psychisch waren möglich und in jedem Ausmaß von Behinderung. Selbstverständlich war auch die religiöse Herkunft der Mitglieder zunehmend unterschiedlich. Der von vorneherein ökumenisch geöffneten Gruppe gehören inzwischen auch Nichtgetaufte an. In der Gruppe gibt es keine "Betreuer". Die Behinderten betreuen die Nichtbehinderten und die Nichtbehinderten betreuen die Behinderten. Der Status behindert oder nichtbehindert ist allenfalls für Eintrittsermäßigungen wichtig. Darüber hinaus achten wir bei den Jahresfahrten bloß darauf, dass etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen nicht behindert sind, damit die gegenseitige Hilfe etwas Spielerisches behält und nicht in Arbeit ausartet. Diese Verhältniszahl hat sich über die Jahre bewährt. Darüber hinaus wird aber nichts Betreuungsartiges organisiert. Wer sich für wen und was zuständig fühlt, das ergibt sich erstaunlicherweise von selbst. Was für die Behinderten zu tun ist, sagen zumeist die Behinderten selbst oder es ergibt sich. Die Gruppe hat vielfache Anerkennung gefunden. 1987 erhielt sie den Preis für bürgerschaftliche Selbsthilfe der Stadt Bonn. 1990 wurde in der ARD ein halbstündiger Film über die Gruppe gezeigt mit dem Titel "Chaos im Rollstuhl - Erfahrungen mit einer ungewöhnlichen Jugendgruppe". Nach diesem Film kam es auch zu Kontakten mit anderen Gruppen, die vom Ansatz der Gruppe lernen wollten. Die Gruppe wird auch in den lokalen Medien immer wieder erwähnt, was wichtig ist, um den integrativen Gedanken publik zu machen.
Dr. Manfred Lütz, Psychotherapeut, Theologe, Bestseller-Autor und Leiter eines psychiatrischen Krankenhauses, ist Mentor und aktiver Unterstützer dieser Gruppe. Er äußerte sich anlässlich der Teilnahme am Sozialpreis 1999: Was ist Ihrer Meinung nach das eigentlich innovative Ihres Projektes? Es ist eine integrative Gruppe von behinderten und nichtbehinderten Jugendlichen ohne professionelle Betreuer, die sich sozusagen selbst steuert und deren Prinzipien nicht von irgendjemandem "erfunden" wurden, sondern sich aus einer gelingenden Praxis ergeben haben. Es ist dabei gelungen, das ehrenamtliche Engagement nach wie vor als vorrangig durchzuhalten. Die hauptamtliche Tätigkeit ist prinzipiell subsidiär und vorwiegend administrativ. Wer sich in der Gruppe engagiert, hat auch etwas zu sagen. Das Programm beschließen, bestimmen und organisieren die Jugendlichen selber, ob behindert oder nichtbehindert, ist dabei selbstverständlich völlig egal. Die Gruppe macht für junge Menschen erlebbar, dass Behinderung oft auch eine Fähigkeit sein kann. Das Normalitätsprinzip wird hier ganz selbstverständlich gelebt und Behinderung wird allenfalls als Besonderheit genutzt. Das bewusst Unorganisierte der Gruppe führt dazu, dass Behinderte sich hier niemals als "Organisationsproblem" erleben, sondern immer selbst als Mit-Organisatoren und wenn sie Hilfe erfahren, dann aus Freundschaft, aus der sie auch selbst das Ihrige zur Gruppe beitragen. Innovativ ist darüber hinaus insbesondere die "Grufti-Gruppe", da es normalerweise fast nicht möglich ist, Integration zwischen Behinderten und Nichtbehinderten im Jungfamilienalter zu erreichen. So ist diese Gruppe für einige de facto geradezu zu einer Art Lebensbegleitung geworden. Innovativ ist außerdem die integrative Wohngemeinschaft der Gruppe, die ohne professionelle Betreuung seit 8 Jahren funktioniert und in dieser Form, wie man uns sagte, in Deutschland einmalig ist. Die Gruppe ist für gewisse Institutionen durch ihre Unstrukturiertheit und Vitalität immer wieder eine heilsame Provokation, da sie in kein Raster passt, aber dennoch als sinnvoll und geradezu notwendig erlebt wird. Die Gruppe wirkt ganz selbstverständlich ökumenisch, da die ganze Praxis der Gruppe von dem in sich sinnvollen Tun her bestimmt wird, das sonstige Unterschiede nicht so in den Vordergrund stellt, wobei der gemeinsame Gottesdienst das christliche Profil dennoch deutlich macht. Sie wirkt darüber hinaus auch auf nichtchristliche Jugendliche einladend. Auf eine solche Weise das Christentum in unserer Gesellschaft plausibel zu machen und zu halten, dafür ist diese Gruppe eine besondere Chance. Das bewusst christliche Profil trägt schließlich auch dazu bei, dass diese Gruppe eben keine "Behindertengruppe" ist, sondern eine unter vielen christlichen Jugendgruppen. Das ist für das ganz selbstverständlich integrative Konzept der Gruppe von großer Bedeutung. Wir sind der Überzeugung, dass eine solche Gruppe in jeder Stadt möglich wäre. Man braucht dazu keinerlei Fachkenntnisse - die sind oft sogar eher schädlich - man braucht etwas Engagement und vielleicht noch etwas Mut, den man aber bekommen kann, wenn man weiß, dass so etwas problemlos funktioniert. Im Grunde hätte jede kirchliche Jugendarbeit ja sogar die Pflicht, so etwas zu organisieren, denn kirchliche Jugendarbeit muss prinzipiell auch für behinderte Jugendliche zur Verfügung stehen. Es sind oft unbegründete Ängste und vor allem die Befürchtung, "sich nicht auszukennen", die viele davon abhalten - völlig zu unrecht, wie wir nach fast 20-jähriger Erfahrung glauben. Wir würden eine mögliche Preisverleihung vor allem auch als Möglichkeit sehen, diesen heilsam provozierenden Gedanken weiter zu verbreiten und vielen behinderten und nichtbehinderten Jugendlichen den Weg aus ihrem jeweiligen Ghetto zu ermöglichen.
Der obige Text besteht aus Auszügen von der Homepage der Gruppe und der dort zu findenden Informationen, die natürlich insgesamt sehr empfehlenswert für alle an Inklusion Interessierten sind. |
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