Weisheit der Vielen

Sechster Zugang: Die „Weisheit der Vielen“ als Schlüssel für wirksame Schulentwicklung

 

Inklusive Schule realisiert sich am besten durch die Nutzung der „Weisheit der Vielen“. Diese Formel sowie die dahinterstehende Theorie gehen auf eine Beobachtung des Neffens von Darwin, dem Universalgenie Sir Francis Galton zurück, die dieser um 1900 auf einer Viehauktion machte. Im Bestreben, die „Dummheit der Massen“ zu belegen, beobachtete er einen Wettbewerb: Jedermann war aufgefordert, das Gewicht eines Ochsen zu schätzen. Galton zählte alle Schätzergebnisse zusammen und bildete den Mittelwert. Zu seiner Überraschung kam fast exakt das Gewicht des Ochsens heraus.

Hundert Jahre später führte der Wissenschaftsjournalist James Surowiecki in seinem Buch (2006) „Die Weisheit der Vielen“ die Gedanken Galtons weiter und zeigte „Warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nutzen können“. Übertragen auf unsere Frage, nämlich die Entwicklung der begabungsförderlichen Schule, zeigt sich in Fortschreibung dieser Theorie: Der beste Schulentwicklungsexperte ist nicht eine einzelne Person, etwa ein Wissenschaftler oder Schulentwickler, sondern eine vielfältig gemischte Gruppe, die möglichst viele Aspekte des Systems Schule in ihrer Unterschiedlichkeit repräsentiert.

Surowiecki hat anhand einer Vielzahl von Beispielen nachgewiesen, wie oft Experten irren und wie sehr sie überschätzt werden. Er bestätigt mit seiner Untersuchung unser Vorgehen:

Seit vielen Jahren stoßen wir Schulentwicklungsprozesse dadurch an, dass wir an ein bis zwei Tagen die Mitglieder einer Schule zu einem gemeinsamen Zukunftsentwicklungsprozess versammeln. Als äußerst wirksam haben sich dabei die Verfahren der Prozessorientierten Zukunftsmoderation unter Einbezug großer Gruppen (vgl. Burow & Schratz 2009) erwiesen.

In der Zukunftswerkstatt analysieren z.B. Lehrer, Eltern, Schüler gemeinsam in drei Phasen, was an ihrer Schule verbesserungswürdig ist (Kritikphase), wie sie ihre Schule der Zukunft gestalten würden, wenn alles möglich wäre (Visionenphase) und welche konkreten Schritte zur Umsetzung ihrer Vision (Realisierungsphase) sie angehen möchten.

Wie bereits bei den Zugängen (4) „Wertschätzende Schulentwicklung“ und (5) „Nutzung innerer Bilder“ angedeutet, verfügt eine vielfältig gemischte Gruppe über etwas, das ich als „pädagogisches Tiefenwissen“ bezeichnen möchte:

Fast alle Gruppen, mit denen wir in den letzten Jahren gearbeitet haben, und dabei handelt es um mehrere Tausend Lehrer/innen, Schüler/innen sowie andere an Schule und Erziehung beteiligte Personen, entwerfen weitgehend übereinstimmend das Bild einer Zukunftsschule, das auf den Prinzipien

- Individuelle Förderung in der Gemeinschaft

- Demokratie

- Glück beruht.

 

   Demnach ist die gewünschte Schule der Zukunft als gegliedertes Lerndorf (Campusmodell) gestaltet, eingebettet in eine ökologische Landschaft, gruppiert um ein Zentrum als Ort der Begegnung und des Austausches („Marktplatz“).

Es handelt sich um eine Schule, die sowohl in der architektonischen Gestaltung wie auch in der Regelung des Tagesablaufes und der Gestaltung des Unterrichts das Konzept der Inklusion realisiert.

Ja, selbst die Jugendlichen, die den Hamburger Begabtenkongress (September 2009) unter dem Motto „Wir machen Schule schlau“ organisiert haben, auf dem dieser Vortrag gehalten wurde, wünschten sich in ihrer Vision keineswegs eine Spezialschule für „Hochbegabte“, sondern eine Schule für alle, die allerding so gestaltet sein sollte, dass jeder entsprechend seiner spezifischen Begabungen optimal gefördert wird.

 

 
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